Koreanische Kunst schlägt Wellen
An der südkoreanischen Popkultur war in der letzten Zeit kaum ein Vorbeikommen. Im Jahr 2012 brach der Rapper Psy mit «Gangnam Style» die Streaming-Rekorde und ebnete den Weg für K-Pop-Bands wie BTS und Blackpink, die seitdem in den USA und Europa Konzertstadien füllen. 2020 gewann Bong Joon-ho mit «Parasite» den Oscar für den besten Film. Die dystopische Serie «Squid Game» ist seit 2021 eine der meistgesehenen Reihen auf Netflix. 2024 erhielt die Romanautorin Han Kang den Literaturnobelpreis.
Die aktuelle Ausstellung «Hallyu! The Korean Wave» im Museum Rietberg, die ursprünglich für das Victoria and Albert Museum in London kuratiert wurde, geht den Gründen für die weltweite Popularität von K-Pop, Kino und Mode nach.
Popkultur als Tor zur Welt
Was macht den Reiz von Hallyu aus? «Meiner Meinung nach spielen Kreativität und Gemeinschaftsgefühl eine wesentliche Rolle», sagt Ewa Machotka, Professorin für Ostasiatische Kunstgeschichte an der Universität Zürich (UZH). «Die Fans schauen oder hören nicht einfach nur zu – sie gestalten die Kultur aktiv mit, bauen Gemeinschaften auf und finden ein echtes Zugehörigkeitsgefühl, das Grenzen überschreitet, ganz gleich, woher sie kommen. Vor allem zur jüngeren Generation passt, wie sie online und offline kreativ ist, sich verbindet und ausdrückt.»
Dieses transnationale Merkmal von Hallyu verdiene aufgrund seiner sozialen und kulturellen Auswirkungen wissenschaftliche Aufmerksamkeit, sagt Machotka. Sie organisierte deshalb parallel zur Ausstellung die Konferenz «Korean Wave(s)? Global Itineraries of Korean Art and Culture», die untersuchte, wie sich Kunst über Zeit, Raum und kulturelle Grenzen hinweg bewegt.
Die Konferenz ist die erste grössere Veranstaltung im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen der UZH und dem Museum Rietberg, die im letzten Herbst unterzeichnet wurde und nun in eine strukturiertere Phase getreten ist. Sie zeigt, wie sich die beiden Institutionen gegenseitig bereichern und einen Mehrwert für Studierende und die breite Öffentlichkeit schaffen können. «Zeitgenössische Trends bieten einen Zugang zu historischen Werken, während das Verständnis für traditionelle Kunst unsere Wertschätzung für die heutigen kulturellen Ausdrucksformen vertieft», sagte Khanh Trinh, Kuratorin für japanische und koreanische Kunst am Museum Rietberg und Mitorganisatorin der Konferenz, in ihrer Eröffnungsrede.
Aufzeigen, wie Objekte wandern
Die Ausstellung bietet den Besucher:innen mehr als nur eine visuell ansprechende oder unterhaltsame Erfahrung – sie ermöglicht auch den Zugang zur akademischen Forschung und zu kritischen Perspektiven. «Die Besuchenden profitieren direkt vom wissenschaftlichen Hintergrund der Ausstellung: Sie begegnen nicht nur der koreanischen Popkultur, sondern können ihr Verständnis des historischen Kontextes und der transnationalen kulturellen Verflechtungen vertiefen», so Machotka.
Das Symposium erweiterte diesen Kontext unter anderem mit dem von Rosemary A. Joyce entwickelten Konzept der «Objektrouten». Es ermutigte die Zuhörenden, koreanische kulturelle Ausdrucksformen nicht als feststehend oder rein national zu betrachten («koreanische Exporte»), sondern als dynamische und sich entwickelnde Phänomene, die durch jahrhundertelangen globalen Austausch geprägt sind. Dieser Ansatz, so betonte Machotka, stellt die konventionelle Verwendung des Begriffs «Welle» in Frage, da kulturelle Prozesse nicht nur in eine Richtung gehen.
Verwoben mit der ostasiatischen Kultur
Die Keynote wurde von Professor JP Park von der Universität Oxford gehalten, der die «koreanische Welle» in eine ganze Reihe von Kulturexporten und Einflüssen einordnete: «Korea hat das japanische Fernsehen kopiert, jetzt kopiert China das koreanische Fernsehen.» Selbst die Pop-Fabriken des K-Pop haben ihre Vorläufer in der Motown-Bewegung von Detroit. Hallyu sei daher nicht nur ein «koreanisches» Phänomen, sondern vielmehr das Produkt eines kontinuierlichen transkulturellen Austausches und globaler Verbindungen.
Die Betonung der globalen Verflechtung der ostasiatischen Kultur schmälere nicht die Leistung der koreanischen Künstler:innen, so Park. «Die koreanische Welle sollte nicht isoliert, sondern als Teil einer grösseren regionalen Transformation verstanden werden.» Nichtsdestotrotz sei das K-Präfix als Herkunfts- und Prestigemerkmal verwendet und für einen reduktionistischen nationalistischen Diskurs instrumentalisiert worden, der versucht habe, ein vielfältiges und lebendiges kulturelles Schaffen zu homogenisieren.
Der zweite Tag der Konferenz konzentrierte sich auf die «Objektrouten» koreanischer vormoderner Kunstobjekte und untersuchte ihre Produktion, Zirkulation und Transformation in verschiedenen kulturellen und sozialen Räumen. Ein überzeugendes Beispiel für diese Mobilität, das Dr. Charlotte Horlyck (SOAS University of London) in ihrem Hauptvortrag erörterte, war der koreanische Mondkrug (Moon Jar): ein weisses Porzellangefäss, das für seine globale ästhetische Anziehungskraft bekannt ist. Eines dieser seltenen Objekte wurde kürzlich vom Museum Rietberg erworben, was seinen ikonischen Status belegt und das Spannungsfeld zwischen kultureller Einzigartigkeit und globaler Popularität aufzeigt.
Den kulturellen Dialog stärken
«Unsere Partnerschaft stärkt die Zusammenarbeit in Lehre, Forschung und öffentlichem Dialog und spiegelt unseren gemeinsamen Auftrag wider, der Gesellschaft zu dienen», sagte UZH-Rektor Michael Schaepman, der wegen der gleichzeitig stattfindenden Feierlichkeiten zum Dies academicus abwesend war, in seiner vorab aufgezeichneten Videoansprache. «Diese Konferenz ist eine wunderbare Gelegenheit, Forschung und Öffentlichkeitsarbeit miteinander zu verbinden und die Ausstellung in einen viel breiteren Kontext zu stellen. Sie verstärkt auch unsere akademischen Verbindungen zu Südkorea, einschliesslich Partnerschaften mit führenden Universitäten, Studentenaustausch und laufender Forschungskooperationen.»
Die Anwesenheit Seiner Exzellenz Keum Chang-rok, des koreanischen Botschafters in der Schweiz, unterstrich die Bedeutung der Veranstaltung für die Kulturdiplomatie zusätzlich. «Kultur bereichert die Zivilisation», sagte er in seiner Begrüssungsrede. In seiner Zeit als Diplomat habe er zwar schon an vielen Veranstaltungen zur Popkultur teilgenommen, doch diese Konferenz zeichne sich dadurch aus, dass sie die historische Bedeutung der koreanischen Kunst und Kultur seit dem 5. Jahrhundert würdige.
Wissenschaftliche Erkenntnisse und museale Praxis
«Bei dieser Veranstaltung geht es nicht nur um den Aufbau akademischer Netzwerke, sondern auch um die Stärkung der globalen Verbindungen der UZH, insbesondere mit Südkorea», bekräftigt Machotka. Die Konferenz ist ein gelungenes Beispiel für die Umsetzung dieses Ziels in die Praxis, insbesondere jetzt, da die Universität Zürich vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) zum «Leading House Asia Pacific» ernannt worden ist. In dieser Rolle trägt die UZH dazu bei, die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und dem asiatisch-pazifischen Raum in den Bereichen Forschung, Bildung und Innovation zu fördern.
Südkorea ist dabei ein wichtiger Partner. «Akademische und kuratorische Arbeit können sich gegenseitig informieren, unterstützen und verstärken. So können sie den Weg für zukünftige Modelle eines integrierten kulturellen Engagements ebnen», sagt Machotka. «Ich hoffe, dass diese Konferenz einen Präzedenzfall schafft und zeigt, wie akademische Erkenntnisse und Museumspraxis auf eine Art und Weise zusammenkommen können, von der alle Beteiligten profitieren und die einen reicheren transkulturellen Dialog und globalen Austausch ermöglicht.»